1, 2 oder 3 – was steht da auf dem Ei?

Ob für die Ostereier oder den täglichen Genuss: Viele Menschen möchten Eier von artgerecht gehaltenen Hühnern. Doch Hühnereier sind Massenware, sie werden zum größten Teil in Ställen mit Tausenden, teils Hunderttausenden von Tieren fabriziert. Überaus aktuell ist dies auch gerade, weil die „intensive“ oder „Massentierhaltung“ die Wahrscheinlichkeit erhöht, dass Krankheiten von Tieren auf den Menschen übergehen. Die ogelgrippe sowie das neuartige Coronavirus sind solche Krankheiten. Grund genug, genau zu schauen, welche Eier man bedenkenlos kaufen kann.

Diesen Artikel habe ich auch für den NABU Berlin geschrieben, er wurde leicht abgewandelt hier veröffentlicht https://berlin.nabu.de/umwelt-und-ressourcen/oekologisch-leben/essen-und-trinken/huehnereier/index.html 🙂 🙂 🙂

Hühner als Eifabriken

Für die Agrarindustrie wurden Hennen auf maximale Eiproduktion hin gezüchtet oder auf maximale Masse, wenn sie geschlachtet werden sollen. Zum Legen möglichst vieler Eier werden sie mit verschiedenen Methoden gereizt und produzieren dadurch heutzutage circa 300 Eier pro Jahr. Das belastet sie so, dass sie früh ausgemergelt sind und nach 12 bis 15 Monaten geschlachtet werden. In Hobbyhaltung werden Hennen fünf bis sieben Jahre alt und Hähne zehn. Die Männchen haben in der konventionellen Haltung aber direkt nach dem Schlüpfen ausgedient, sie werden – auch in der Biohaltung – standardmäßig geschreddert, vergast oder erfroren. Zum Vergleich: Das Haushuhn stammt hauptsächlich von einem asiatischen Huhn ab, dem Bankivahuhn, was höchstens 40 Eier im Jahr legt.

Bei allen Haltungsformen entwickeln die Tiere Verhaltensstörungen. Daher kauft man, ohne die Bedingungen im Betrieb zu kennen, am besten keine solchen Fabrikeier. Warum?

Federpicken: Die Tiere reißen anderen die Federn aus, was mit der intensiven Haltung zusammenhängt. Dieses Verhalten zeigen auch Puten, Enten und manchmal Gänse.

Kannibalismus: Begünstigt durch Enge und weitere Faktoren bepicken die Tiere Haut und Fleisch der Artgenossen, was mit schweren Verletzungen einhergeht. Gerade rot glänzende Objekte reizen zum Picken, weshalb die empfindlichen Kloaken und bestehende Wunden angegriffen werden, was ohne Trennung der Tiere zum Tod führt.

Heutige Gegenmaßnahmen sind oft Haltung im Dämmerlicht, was Hühner passiver macht – das ist wiederum sehr negativ für das Wohlbefinden und den Tag- Nacht-Rhythmus der Tiere.

Die Eierkennzeichnung unter die Lupe genommen

Seit 2005 müssen Eier mit dem Haltungssystem gekennzeichnet sein, aus dem sie stammen. Der Stempel auf dem Ei beginnt mit einer Ziffer für die Haltung, dem folgt ein Länderkürzel und ein Zahlencode für Betrieb und Stall.

0 = Biohaltung

1 = Freilandhaltung

2 = Bodenhaltung

3 = Kleingruppenhaltung

0 – Biohaltung

Wer bei Biohaltung von glücklichen Hühnern ausgeht, muss sich im Klaren sein, dass hier sechs Hennen auf einem Quadratmeter gehalten werden dürfen und 3000 Tiere in einem Stall erlaubt sind. Es gibt Höfe mit möglichst wesensgemäßer Tierhaltung, der Großteil der Bioeier entsteht aber nicht dort, um die Kosten in der Produktion möglichst zu minimieren. Sich selbst überlassen, bilden Hühner eine Gruppe von einem knappen Dutzend, in der eine klare Hackordnung für ein friedliches Miteinander sorgt. In den riesigen Ställen aber sind sie völlig orientierungslos und hacken daher ohne Ende aufeinander ein.

Männliche Küken werden getötet, da sie sich nicht rentieren, das ist auch in der Biohaltung erlaubt.

In Biohaltung müssen jeder Henne tagsüber minimal vier Quadratmeter Auslauffläche gewährt sein. Ein Drittel der Stallbodenfläche muss fest sein, also kein Draht- oder Spaltenboden, und dazu Einstreu enthalten. Zudem müssen für alle Sitzstangen vorhanden sein.

Nico Lubaczowski_pixelio.de

Der Auslauf im Freiland sollte den Hühnern laut Vorgabe Deckung vor Feinden bieten und bewachsen sein, sonst nutzen ihn die Tiere aus Angst nicht. Freigang muss den Tieren an einem Drittel der Lebenszeit gestattet sein. Maximal 16 Stunden am Tag darf das Licht brennen und das Futter muss aus ökologischem Anbau stammen.

1 – Freilandhaltung

Freilandhaltung bedeutet, dass den Tieren Auslauf im Freien zur Verfügung steht, sie ansonsten aber drinnen leben, genau so, wie es in der Bodenhaltung geschieht. Es dürfen allerdings neun (9!) Hennen auf einem Quadratmeter gehalten werden, die Gruppen umfassen bis zu 6000 Tiere, doppelt so viele wie bei Biohaltung. Laut Vorschrift stehen einer Henne wiederum am Tag die vier Quadratmeter Auslauf zur Verfügung. Das Futter soll überwiegend, aber muss nicht gänzlich, aus Ökoanbau stammen. Drinnen gleichen die Ställe denen in der Bodenhaltung: große Hallen mit tausenden von Tieren. Diese Bedingungen verbieten es den Hennen, eine Hackordnung zu etablieren. Dieses und weiteres arttypisches Verhalten wird ihnen vorenthalten.

2 – Bodenhaltung

Sendung: „PlusMinus“ online gestellt von Vegan-Opa 1965

Zu über 60 % kaufen die Deutschen inklusive der vielen Lebensmittelhersteller am häufigsten Eier aus Bodenhaltung. Diese findet meist in großen Hallen statt oder auch in Käfigen mit Etagen und Gitterböden, Volieren genannt, auch, wenn hier nicht geflogen werden kann. Um Kosten und Staub zu senken, wird nur ein Drittel der Gesamtfläche mit Einstreu bedeckt, der Rest des Bodens besteht aus Gittern, gefertigt aus Holz oder Plastik, bei den Etagenvolieren sogar der ganze Boden. Auf manchen solcher Böden ist das Verletzungsrisiko groß. Auch in Bodenhaltung dürfen neun Hennen pro Quadratmeter gehalten werden und Gruppen bis 6000 Tiere groß sein. Es gibt Sitzstangen, Trink- und Fressvorrichtungen sowie Nester, doch einen Quadratmeter Nest müssen sich bis zu 120 Tiere teilen. So wenig Platzangebot lässt die Hennen nur kurz den Nestbereich betreten, dann werden sie oft mit ausgestülpter Kloake bereits weggedrängt; das Bepicken dieses Organs wird begünstigt. Allgemein schädigt die Reizarmut, die extreme Dichte und damit Enge sowie eine oftmals zu ammoniakhaltige Luft mit lungenschädigenden Kleinstpartikeln die Hühner. Man kann daher in den Haltungssystemen 2 und 3 von einem hohem Leidensgrad der Tiere ausgehen.

3 – Kleingruppen oder „Geflügelmast“

Kleingruppenhaltung ist eine Form der Käfighaltung, doch wird sie nicht so bezeichnet, seitdem 2010 die Einzelkäfighaltung abgeschafft wurde. In den als „Legebatterien“ bekannt gewordenen Käfigen vegetierten damals die meisten Hühner auf einer Fläche kleiner als ein DIN-A4-Blatt vor sich hin (Übergangsfristen erlaubten jahrelang Ausnahmen). An diese Stelle traten die heute genutzten „Kleingruppenkäfige“ von einer nutzbaren Grundfläche von 2,5 Quadratmetern Größe mit 40 bis 60 Tieren darin!

Was unvorstellbar klingt, wird für die billigsten Eier umgesetzt. Dies bringt Tierschützer dazu, den Begriff der Kleingruppe als Beschönigung zu kritisieren. Jedes Huhn hat damit 800 Quadratzentimeter (ein DIN-A4-Blatt plus 5 EC-Karten) für sich. Die ausgestalteten Käfige oder Gruppenvolieren haben verschiedene Bereiche für Futter/ Tränken, Nester und Sitzstangen, die weit vom tatsächlichen Bedarf entfernt sind. Die Haltungsform 3 betrifft noch etwa 7 -9 % der Tiere sagen die letzten Erhebungen von 2015.

Beispiel für einen Etagenkäfig auf Hellmann Poultry

Im November 2015 gab es eine erfreuliche Entwicklung für zukünftige Legehennen: der Bundesrat beschloss, die Haltung in den Kleingruppenkäfigen oder ausgestalteten Käfigen zu beenden und ab 2025 nur noch Boden- und Freilandhaltung zu gestatten. Bei sogenannten Härtefällen verlängert sich die Frist der Besitzer bis maximal ins Jahr 2028.

Größter Abnehmer von Eiern aus Geflügelmastbetrieben ist die Gastronomie, also z.B. Bäckereien, Burgerbuden und Lebensmittel aus dem Supermarkt. Die Albert-Schweitzer-Stiftung hat eine Liste mit Gastronomen veröffentlicht, die auf Käfigeier explizit verzichten: https://albert-schweitzer-stiftung.de/kampagnen/kaefigfrei

Der Ländercode

Nach der Haltungsklasse folgen zwei Buchstaben die für den EU-Mitgliedstaat stehen, aus dem das Ei kommt. Zum Beispiel NL = Niederlande. Laut der Firmendatenbank „Wer-zu-wem.de“ stammt jedes zweite, hier konsumierte Ei nicht aus Deutschland, man erkennt das nicht an der Verpackung sondern nur am Stempel! (Weltweit werden Hühner überwiegend noch immer in Legebatterien gesperrt.)

Eine Frage der Haltung?

Als Konsument erwartet man, durch die Haltungsklassen zumindest zu erfahren, wie man das kleinere Übel wählt. Leider wurden immer wieder Verstöße gegen die Haltungsvorgaben nachgewiesen. So sagt das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft: „Aufgrund der föderalen Struktur sind in Deutschland die Länderbehörden für die Kontrolle aller landwirtschaftlichen Betriebe zuständig – ob konventionell oder ökologisch. Die Bundesländer kontrollieren insofern in ihrer eigenen Zuständigkeit landwirtschaftliche Betriebe, ob die Vorschriften zum Tierschutz-, Lebensmittel-, Futtermittel- und Marktordnungsrecht eingehalten werden.“

Doch kontrolliert wird alle paar Jahre und mitunter wurden Veterinäre, die Missstände feststellten, mundtot gemacht oder einfach nicht ernst genommen, wie zahlreiche Dokumentationen belegen. Aus Sicht von Tier- und Verbraucherschutz müsste es häufigere Kontrollen geben und eine übergeordnete Instanz, die einschreitet, wenn ein Bundesland seinen Pflichten nicht nachkommt oder Verstöße festgestellt werden. In der Realität wird Tierquälerei in der Lebensmittelproduktion in kaum einem nachgewiesenen Fall bestraft.

Alles klar dank Code?

Die Information über Haltungsform und Länderherkunft ist auch für die Verbraucher gedacht. Bei der Frage nach dem Betrieb jedoch endet die Transparenz: Die darauffolgende Nummer, die den Betrieb kennzeichnet, ist nicht unbedingt öffentlich zu ermitteln. Lediglich ein Teil der Betriebe lässt sich zurückverfolgen auf Seiten wie https://www.was-steht-auf-dem-ei.de/index.php. Somit haben nur die Kontrollbehörden alle Informationen.

Weitere wichtige Informationen, wie die genaue Umsetzung der vage formulierten Haltungsklasse 3 und die verabreichten Arzneimittel, deren Reste auch nach der Zubereitung nachweisbar bleiben, sind nicht durch einen einfachen Eiercode abgedeckt. Man müsste sie mühsam für jedes Bundesland ermitteln, im Ausland gelten wieder deren jeweilige Regelungen.

Fazit

Leider garantieren die vorgeschriebenen Haltungssysteme, inklusive der Biohaltung, den Tieren kein arttypisches oder befriedigendes Leben. Vielmehr lassen sie großes Leid zu, was der Großteil der Tiere dann auch erfährt. Der Löwenanteil der Käufer und Produzenten akzeptiert dies für günstige Produkte, Daher:

– Kaufen Sie am besten keine Eier oder nur von einem eigens bekannten Hof, auf dem Sie sich vom Wohlergehen der Tiere überzeugt haben.

– Ersetzen Sie Eier durch pflanzliche Produkte wie Bananen, Leinsamen, Seidentofu etc.

– Setzen Sie sich für Hühner und andere Nutztiere in Form von Aktionen und Petitionen ein! Regelmäßig veranstalten die Albert-Schweitzer-Stiftung für unsere Mitwelt, PETA, Anonymous for the Voiceless und andere Demonstrationen. Sie bieten Infostände und Austausch bei Veranstaltungen an.

– Reden Sie über das Thema, Sie können auch Ihre eigene Petition starten! Hier eine aktuelle: Dringend: Hähnchenmastanlage verhindern (Click!)

– Bedenken Sie, dass ein riesiger Teil der Eier in verarbeiteten Lebensmitteln steckt. Sobald die Eier verarbeitet sind, muss der Händler die Haltungsform nicht mehr angeben. Will man Produkte, in denen keine Käfig- oder Bodenhaltungseier stecken, garantiert dies allein das EU-Biosiegel.

Quellen:

Titelgraphik und 3-er Galerie sind Bilder von Pixabay. ❤

Gesetzliche Vorgaben, recht übersichtlich beschrieben: https://www.dlg.org/de/landwirtschaft/themen/tierhaltung/gefluegel/dlg-merkblatt-405/

Anforderungen an Bio-Eier bei der Tierhaltung BMEL: https://www.bmel.de/DE/Tier/Nutztierhaltung/_texte/HaltungLegehennen-Bioeier_FAQ_Tierschutz.html#doc3724080bodyText1

https://de.wikipedia.org/wiki/Gefl%C3%BCgelproduktion#Eier

https://albert-schweitzer-stiftung.de/massentierhaltung/legehennen

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